FFF Neuruppin haben mich am Freitag angeschrieben und mich um Statements zu deren Positionspapier gebeten. Das Positionspapier auf das sich meine Antworten bezieht, findet ihr hier:

https://fridaysforfuture.de/wp-content/uploads/2020/10/ForderungenNeuruppin.pdf

Beantwortung des Forderungskatalogs von Fridays for Future Neuruppin von Michael Güldener

Vorabbemerkung:

Die Anfrage zur Beantwortung des Katalogs ist aus meiner Sicht mit rund drei Tagen viel zu knapp bemessen. Vor allem, weil ich davon ausgehe, dass der Katalog schon etwas älter ist und es nur noch wenige Tage bis zur Wahl sind.

Das Engagement von FFF hat dem Thema Klimaschutz das Gewicht gegeben, das es verdient. Die Forderungen sind nicht neu und tw. Jahrzehnte alt. Das Zeitfenster rechtzeitig zu handeln, um noch etwas bewegen zu können, schließt sich. Mit der Natur und dem Klima kann man nicht verhandeln. All das ist mir bewusst. Doch Politik wird von Menschen gemacht und Politik braucht Zeit und Mehrheiten. Zeit, die wir vielleicht nicht unbedingt haben, sicher, aber Zeit, die dennoch nötig ist, um die Mehrheit mitzunehmen. Das widerspricht sich ein Stück weit, aber der Mensch ist ambivalent und zutiefst widersprüchlich. Auf kaum ein anderes Thema trifft die Tragik der Allmende so gut zu, wie auf den Klimaschutz.

Es ist legitim auf Basis von Fakten radikale Forderungen zu stellen und diese laut und deutlich zu vertreten. Es ist aber ebenfalls legitim einer Position zu widersprechen und einen alternativen Weg vorzuschlagen. Mein Job als Bürgermeister ist es, die verschiedenen Positionen zusammenbringen und daraus Mehrheiten zu organisieren. Ich möchte außerdem mit meinen Antworten nicht den Eindruck erwecken als könne ich allein in Neuruppin entscheiden, was passiert. Ich habe eine Haltung, die ich zum Ausdruck bringe, aber auch nur eine Stimme in der Stadtverordnetenversammlung.

  1. Ausrufung des Klimanotstandes in Neuruppin

Der grundlegende Gedanken des Klimanotstandes ist richtig. Doch leider ist er mittlerweile zu einem politischen Kampfbegriff verkommen und nur noch als ein symbolischer Akt anzusehen. Ich appelliere für ein Miteinander und möchte alle Teile der Bevölkerung an einen Tisch bringen, um die Probleme des Klimawandels zu lösen. Wenn sich die SVV dazu entscheidet den Klimanotstand auszurufen, um ein Signal zu setzen, werde ich das unterstützen.

  1. Klimaneutralität in Neuruppin bis zum Jahr 2030

Die Umsetzung des Beschlusses zur Klimaneutralität durch die Stadtverordnetenversammlung Neuruppins muss verfolgt werden, am Erreichen des Zieles arbeiten bereits die Stadtwerke als 100%-ige Tochter der Stadt Neuruppin. Gerade die Arbeit aber hier vor allem die Zusammenarbeit mit den Stadtwerken werde ich weiter ausbauen und fördern.


Energiepolitik

    1. Stromgewinnung und Wärmeversorgung aus 100% erneuerbaren Energiequellen.

Wie bereits erwähnt arbeiten hier die Stadtwerke im Ausbau der Fernwärme. Eine Energieversorgung zu 100% regenerativen Energien halte ich für realistisch, wenn die Grundlastfähigkeit durch Pufferspeicher etc. gegeben ist. Derzeit ist das technisch noch nicht ohne andere Energieträger flächendeckend möglich. Ich hoffe aber hier auf die Forschung und zeitnahe, umsetzbare Ergebnisse, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.

    1. Proaktives Suchen nach weiteren Eignungsflächen für Windenergie und Photovoltaik zum Ausbau dieser

Bereits im vorherigen Punkt, als kleinen Hinweis eingebracht, muss hier eine gesunde Mischung her. Es kann nicht sein, dass wir unsere Flächen mit Windrädern und Photovoltaikanlagen versiegeln, während Großstädte wie Potsdam und Berlin von niedrigen Strompreisen profitieren und dabei keine solcher Anlagen betreiben. Wir jedoch dadurch umso mehr gezwungen sind, in unsere Natur einzugreifen, um den wachsenden Bedarf zu decken. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir nach Möglichkeiten suchen, Photovoltaikanlagen auf den Dächern von öffentlichen Gebäuden zu errichten und dem Bürger durch gezielte Förderung bei dieser Idee zu unterstützen. Außerdem fehlt in der Auflistung die Möglichkeit von Geothermie.

    1. Einsetzen in der Position als Kreisstadt zum Motivieren weiteren Kreisgemeinden, diesen Weg mitzugehen.

Auch hier kann nur ein miteinander zählen, mit gutem Beispiel voran gehen und jeden mitnehmen.

    1. Sofortiger Stopp der Installationen neuer Öl- und Gasheizungen

Momentan ist es leider nicht möglich, den benötigten Energiebedarf ohne Gas- und Ölheizungen abzudecken.

  1. Gebäudesanierungsquote drastisch erhöhen

Die Bundesregierung rechnet mit Heizkosten über 20 Jahre von 107.000 Euro für ein unsaniertes Haus. Dies ist eine enorme Verschwendung von Geldern im privaten Bereich und in der Nichtnutzung von Energie. Doch werden hier bereits Eigentümer durch attraktive Förderung zu einer Sanierung geführt. Durch eine Sanierung können sie die Kosten für die 20 Jahre auf 21.000 Euro senken. Aus finanzieller Sicht ist dies sehr lukrativ und verringert durch den verminderten Bedarf von Enerige die Belastung des Klimas.

  1. Zukünftige Bauvorhaben nur unter Beachtung und Einhaltung klimagerechter Kriterien

Die Bauvorschriften sind bereits enorm. Wenn es entsprechende Zuschüsse von Bund und Land gibt, ist es kein Problem, das umzusetzen. Die Stadt kann sich bei eigenen Gebäuden diese Ziele geben. Für private Bauherren muss aber hier der Gesetzgeber tätig werden.

4.1 Proaktiv mehr kostenfreie Angebote zum Energiesparen bewerben und fördern.

Dies betreibt bereits der Kreis mit einem kostenlosen Stromcheck. Weitere Angebote können gerne entwickelt und ausgebaut werden.

4.2 Aufklärungsarbeit bezüglich der Unschädlichkeit von Windrädern leisten und anbieten, um Akzeptanz zu erhöhen

Eine Unschädlichkeit kann nicht wissenschaftlich belegt werden. Alleine in Deutschland sterben jährlich 10.000 bis 100.000 Vögel. Des weiteren ist es wissenschaftlich bestätigt das neben dem hörbaren Lärm, der Infraschall Mensch schädigt. Die Frage ist viel eher, ob man bereit ist, die Kollateralschäden in Kauf zu nehmen. Insofern bin ich für Einzelfallprüfungen. Im Übrigen habe ich oben schon kritisiert, dass die einseitige Fixierung auf Windkraft und Photovoltaik falsch ist. Geothermie kann sehr interessant sein und ist darüber hinaus grundlastfähig.

4.3 Alle Umsetzungsprozesse sind vollständig transparent zu gestalten. Möglicherweise anfallende Mehrkosten dürfen nicht auf die Schultern der Bürger*innen gelegt werden.

Die meisten relevanten Sitzungen und Beschlüsse sind öffentlich und damit transparent. Ich setze mich für eine Beteiligung aller Bürger bei größeren Projekten ein, so auch beim Klimaschutz. Dies kann aus meiner Sicht durch Bürgerdialoge aber auch Bürgersprechstunden in allen Ortsteilen gesichert werden. Die Forderung, anfallende Mehrkosten nicht auf die Bürger umzulegen, ist nicht realistisch. Wer soll es denn sonst bezahlen?

5. Wasserstoffgewinnung in der Umgebung

Kann ich mir sehr gut vorstellen, allerdings mit dem Vorbehalt, dass im Vorfeld die Kosten und der zu erwartende Nutzen gegenübergestellt werden, bevor eine Studie in Auftrag gegeben wird.

  1. Öffentlicher Nahverkehr
    1. Ausbau des innerstädischen ÖPNV sowie regelmäßigere und umfassendere Taktung der Verbindungen an die Dörfer


Hier ist die Finanzierung eins der größten Probleme. Da die Nutzungszahlen drastisch zurückgehen, stellt uns das vor Herausforderungen. Hier sehe ich aber Alternativen wie Bürgertaxis und Rufbusse.

    1. halbstündige Taktung des RE6 in beide Richtungen mitsamt Ausbau des Schienennetzes

Dies unterstütze ich vollkommen und die erste Schritte werden ja bereits unternommen.

    1. Halt an Bedarfshaltestelle auf den Bahnstrecken jederzeit ermöglichen

Dies sehe ich grundsätzliche als gute Idee muss aber auf den Energieverbrauch, gerade beim ständigen Anfahren des Zuges hinweisen. Auch der Zeitfaktor muss beachtet werden, um die Taktungen zu halten.

    1. ganzjährige Reaktivierung der alten Bahnstrecken der Regio Infra als Kreisbahn mitsamt Anschlussmöglichkeit an das Netz der DB und ODEGWenn die Bahn das macht, gerne. Liegt aber nicht in meiner Hand.
    1. sozial gerechte Ticketpreise ermöglichen und zukünftig ticketlosen ÖPNV

Sozial gerecht bedeutet für mich, dass das Angebot für alle fair ist. Eine Leistung erfordert immer eine Gegenleistung. Einen komplett ticketlosen ÖPNV sehe ich nicht. Kann mir ihn dennoch zum großen Teil ticketlos vorstellen, wobei es immer noch die Möglichkeit geben muss, sich ein Ticket zu ziehen, falls die technischen Mittel gerade nicht verfügbar sind oder gar nicht genutzt werden wollen.

    1. Kostenlosen ÖPNV- Ticket für Schüler*innen, Auszubildene, Studierende und Arbeitssuchende unabhängig von Wohnort und Ausbildungsstätte

Für Schüler kann ich mir das gut vorstellen. Für Studenten gibt es diese Möglichkeit bereits, welche in die Studiengebühren mit einberechnet werden. Dadurch können Studenten in Brandenburg und Berlin mit ihrem Studentenausweis den ÖPNV kostenlos nutzen. Bei Arbeitslosen tragen die Kosten, gerade für Bewerbungsgespräche oder Fahrten zu Weiterbildungen, die Agenturen für Arbeit. Die Nutzung für Freizeitfahrten sehe ich kritisch und würde diese nicht unterstützen, da es dadurch zu sozialen Verwerfungen kommen würde.

    1. Flixbus – Haltstelle im neuen Busbahnhof der Karl-Marx-Straße einrichten.

Dies ist im Rahmen der Sanierung und Umgestaltungen des Bahnhofes Rheinsberger Tores mit eingeplant.

2. Individualverkehr

    1. Ausbau der Radstellplätze und Radwegenetze in den Städten und auf dem Land

Im Zuge der Workshops zur Stadtentwicklung, der Wohnraumstudie und der Umgestaltung der Beschlüsse zur Erneuerung der Karl-Marx-Straße wird dies bereits angegangen. Ich unterstütze auch die Fahrradinitiativen, die sich in OPR gegründet haben und auf fehlende Radwege hinweisen. Der Ausbau des Radwegenetzes würde unsere Stadt noch attraktiver für Touristen machen.

    1. kein Neubau von Parkflächen für private Fahrzeuge

Sehr viele Einwohner unserer Stadt sind auf ihr Fahrzeug, da sie Pendler sind, angewiesen und benötigen daher geeignete Stellflächen.

    1. Ausbau der Ladesäulen für Elektrofahrzeuge

Dies unterstütze ich je nach Bedarf, jedoch benötigt man auch dafür Parkflächen.

    1. Einrichtung von Umweltzonen für motorisierten Individualverkehr

Dafür sehe ich keine Notwendigkeit, da unsere Luftgütewerte sehr gut sind

    1. Autofreien Sonntag in der historischen Altstadt von Neuruppin einführen und nach und nach auf weitere Tage ausweiten

Auch hierfür sehe ich keinen Bedarf, da der Verkehr an Sonntagen schon sehr gering ist. Hiermit würden wir auch unsere Wirtschaft, gerade dem Tourismus schaden. Aus den mir zur Verfügung stehenden Daten würden wir uns mehr schaden als helfen. Zumal wir nicht auf der einen Seite Elektrofahrzeuge fördern und auf der anderen Seite ein Art Kulturkampf gegen das Auto führen dürfen.

  1. Gemeinwohlökonomie

1.1 Zertifizierung als GWÖ-Kommune

Hierzu fehlen mir aufgrund der kürze der Zeit weitere Informationen, um das beurteilen zu können.

1.2 Gemeinwohlorientierte Kreditvergabe

Ist keine Aufgabe der Stadt.

1.3 Ausschreibungen/Entscheidungen nach ökologischen Gesichtspunkten

Ja, ergibt sich auch aus dem Beschluss zur Klimaneutralität bis 2030.

1.4 Förderung regionale/nachhaltige Unternehmen

Wirtschaftsförderung ist seit jeher Teil der Stadtpolitik. Wenn man diese Förderung noch mit Umweltpolitik verknüpfen kann, wunderbar.

  1. Landwirtschaft und Ökosysteme.
    1. bis 2.5

Die Ziele, die hier genannt werden, kann ich mir vorstellen, allerdings liegen sie nicht in der Zuständigkeit der Stadt.

Stadtstruktur / Verwaltung

1.1 Stadtflächenversiegelung nicht erhöhen und perspektivisch verringern

Ja, wo es möglich ist. Aber wir brauchen auch zusätzlichen Wohnraum. Ziel sollte es sein, die Versiegelung, die durch Wohnraum entsteht an anderer Stelle zu kompensieren.

1.2 Erhöhung der Albedo der Stadtflächen

Ja, allerdings weiß ich nicht, wie hoch der Aufwand ist, um Abstrahlungen zu erhöhen.

1.3 Errichtung von Schottergärten untersagen

Ich finde die auch nicht schön, aber ob Verbote zum Ziel führen und für ein proaktives Umdenken im Sinne des Klimaschutzes führen, bezweifele ich sehr stark.

1.4 Wildwiesenflächen innerhalb der Stadt errichten, Freiflächen insektenfreundlich umgestalten

Ja, kann ich mir in manchen Bereichen gut vorstellen. Da wir touristisch geprägt sind, wird es aber auch immer Flächen geben, bei denen die Optik ebenfalls ein Kriterium ist.

1.5 Bereitstellung von Urban-Gardening Flächen

Kann ich mir ebenfalls vorstellen, allerdings nicht zulasten von neuem Wohnraum. Klug wäre es, bestehende Flachdächer oder andere nicht für Wohnraum nutzbare Flächen für Urban-Gardening zu verwenden (z.B. Fürstenwiese).

1.6 Errichtung von insektenfreundlichen Re-Use Parklets

Kann man mit anderen der o.g. Maßnahmen sehr gut verknüpfen.

2.1 Öffentliche Gebäude, Institutionen und Geschäftsfahrzeuge vollständig klimaneutral bis 2030

Ergibt sich für mich aus dem Beschluss zur Klimaneutralität zwingend.

2.2 Klima- und Umweltamt aus dem Bauamt der Kreisverwaltung ausgliedern sowie Schaffung eines Klimabeirats und Klimaamts der Stadt Neuruppin

Ausgliederung Bauamt liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. Schaffung Klimarat als Beratungsgremium halte ich für eine gute Idee. Klimaamt kann ich mir derzeit noch nicht so viel darunter vorstellen, da Klima ein Querschnittsaufgabe ist.

2.3 Einrichtung einer städtischen Klimaschutzmanager*innenstelle

Perspektivisch und im Sinne von Schärfung der Problemdimension in der ganzen Verwaltung aber sehr sinnvoll und hilfreich. Ist aber auch abhängig von der Haushaltslage und einem Beschluss der SVV.

2.4 Erstellung eines kommunal integrierten Klimaschutz- und Klimaanpassungs- konzepts

Sollte eigentlich schon längst da sein. Insofern ja, werden wir angehen und es zeigt, dass frischer Wind im Rathaus nötig ist.